Für Zocker, insbesondere die Liebhaber des MMORPG World of Warcraft, begann der Monat nicht gut. Ein neuer Angriff auf WoW-Accounts machte das Netz unsicher. Gamer haben es echt nicht leicht. Orks, Drachen und fiese Magier machen ihnen das Leben schwer, daneben gilt es auch noch lästige Hindernisse wie Hunger, Durst und die Anforderungen des Arbeitslebens mit dem nächsten Raid zu koordinieren. Hat man all das erfolgreich gemeistert und die Taschen seines Charakters mit magischen Items voll gestopft, kommen auch schon irgendwelche meist asiatischen oder osteuropäischen Hacker und wollen einem kurzerhand den schwerverdienten Loot klauen, um ihn im nächsten Item-Shop zu versilbern. Hat man dann Dinge wie "Wissen: IT-Sicherheit" nicht genügend geskillt, kann das schnell ins Auge gehen. Das war damals einer der Vorteile des guten alten Diablo 2: Item-Klau war nicht wirklich ein Thema. Wozu auch? Ein schneller Rechner, ein paar Tools und ein bisschen Geduld, und schon hatte man alles, was man so brauchte, durch Duplizieren gleich dutzendfach ercheatet, um es dann im nächsten - per Spambot fleißig angepriesenen - Itemshop als "100% legit" anzubieten. Erinnert ein bisschen an die Philosophie älterer Herrschaften, die betonen, beim Fußball würde es viel weniger Streit geben, wenn einfach jeder der 22 Spieler einen eigenen Ball bekäme. Und früher war sowieso alles besser. Womöglich sollten die WoW-Admins mal öfter auf ihre Oma hören.
Weitaus erfreulicher ging es allerdings weiter: die Vorratsdatenspeicherung wurde abgeschafft. Und das trug sich so zu: es waren einmal acht Menschen in roten Roben, die auszogen, Freiheit und Gerechtigkeit zu finden. Da begegnete ihnen ein Gesetz, das die Leute gar schrecklich fanden, weil es ihre Überwachung erlaubte. Das ärgerte die weisen Richter, und so setzten sie sich zusammen, und beschlossen, das Gesetz abzuschaffen. Da sie nicht nur sehr weise, sondern auch sehr mächtig waren, konnten sie dies beim Volke durchsetzen. Fortan herrschten in Deutschland Freiheit und Privatsphäre, keiner wurde mehr überwacht, und alle konnten nach Herzensluft surfen und telefonieren. Und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute. Leider ist der letzte Satz dieses Märchens der einzig zutreffende. Alles andere hat in etwa denselben Realitätsbezug wie bei den Brüdern Grimm und Hans Christian Andersen. Selbst wenn man davon ausginge, dass die Vorratsdatenspeicherung unser einziges Problem in Sachen Datenschutz wäre - was, wie wir wissen, in etwa so realistisch ist wie an Windows 95 nur die Farbgebung des Startbildschirms zu kritisieren - wäre dieses Urteil nicht die von Datenschützern mehr oder weniger heimlich erhoffte bunte Pralinenschachtel voller Freiheit. Stattdessen erinnert es eher an den selbstgestrickten Pullover von Oma unterm Tannenbaum: hat eine hübsche Farbe und sieht zunächst gar nicht schlecht aus - kratzt beim Tragen aber gar schrecklich. Zunächst einmal hörte es sich gut an: verfassungswidrig, für nichtig erklärt, sofortige Löschung der Daten. Man glaubte, trotz der frühen Stunde die ersten Sektkorken knallen zu hören. Dann jedoch folgte die Ernüchterung: all das bezog sich ganz allein auf das deutsche Gesetz, die aktuelle Umsetzung. Die EU-Richtlinie als solche, so die Richter, sei nicht verfassungswidrig. Auf Deutsch: Überwachung geht schon okay, nur bitte sorgfältig auf die Daten aufpassen und schön eine Liste führen, wer genau in die Keksdose greift, und dem Betroffenen irgendwann Bescheid sagen. Es sei denn natürlich, es gibt einen Ausnahmefall. Die Richter lieferten quasi ein Copy-Paste-Howto für einen neuen Gesetzesentwurf, gegen den dann keine Verfassungsbeschwerde mehr hilft. Die üblichen Verdächtigen - allen voran die EU, die Polizei und die Unionsparteien - wollen das jetzt natürlich so schnell wie möglich umgesetzt wissen und fuhren sofort Geschütze auf, gegen die Doom wie ein Kindergeburtstag wirkt. Ob es hilft? Man wird es sehen.
Beliebt machte sich CDU-Politiker Heribert Rech. Er erklärte, sogenannte Killerspiele seien "abartig und gefährlich". Also gut, lieber Herr Rech. Ich als bekennende Killerspiel-Zockerin finde die Innenpolitik der CDU abartig und gefährlich. Fragt mich nur leider auch keiner nach. Der einzige Unterschied zwischen uns beiden: Ich kann meine Meinung begründen, ich habe es nämlich ausprobiert, in einem Land zu leben, in dem Ihre Partei mitbestimmt. Sie dagegen haben vermutlich Ihr gesamtes "Killerspiel"-Wissen aus dreißigsekündigen verwackelten Filmen in irgendwelchen "Info-Sendungen" der Öffentlich-Rechtlichen. Von denen allerdings wurde selbst mir übel - allerdings nicht wegen der dargestellten Gewalt, sondern auf Grund von wackeliger Mausführung und beängstigend ahnungslosen Kommentaren. Also bitte, Herr Rech - Ball flachhalten. Oder aber Sie wagen das Experiment und treffen sich mit einem Gamer Ihrer Wahl - ich würde mich freiwillig melden - zum One on One. Keine Angst, Sie laufen hinterher bestimmt nicht Amok.
Aggressiv waren dagegen wohl einige Berliner Polizisten, die einer Touristen-Familie im Rahmen der "Freiheit statt Angst"-Demonstration direkt eine Vorführung der ganz besonderen Art gaben. Thema: so geht man in der Hauptstadt mit nervigen Bürgern um, die es wagen, nicht jeder Anweisung sofort Folge zu leisten. Familie Roos wird ihren Städtetrip wohl so schnell nicht vergessen. Bei den beteiligten Cops ist das dagegen nicht so sicher, da diese ja gerne unter Amnesie leiden, wenn wegen gewalttätigen Verhaltens gegen einen der Ihren ermittelt wird. Und der Fall des verprügelten Fahrradfahrers wurde auch noch nicht zu einem befriedigenden Abschluss gebracht. Vielleicht sollte man den Berliner Polizisten ein paar Killerspiele schenken, dann könnten sie ihren offenbar vorhandenen Hang zur Gewalt virtuell ausleben. Aber das wäre wahrscheinlich zu abartig und gefährlich. Ganz im Gegensatz zu Polizeigewalt.
Auch manch bahnbrechende Erkenntnis hatte der Monat zu bieten. So stellte sich heraus, dass es eher unklug ist, Dinge als Sicherheitsabfrage zu verwenden, die man bei StudiVZ im Profil stehen hat. Auch wer auf jedem zweiten Foto im Bandshirt herumläuft, sollte "Lieblings-Musikgruppe" zur Absicherung seiner Mailbox lieber außen vor lassen. Wer hätte das gedacht. Eine wissenschaftliche Studie hat ergeben: 90% aller wissenschaftlichen Studien wären durch Anwendung von gesundem Menschenverstand überflüssig.
Ein anderes Phänomen, das durch gesunden Menschenverstand überflüssig würde, sind Äußerungen wie die des BDK-Vorsitzenden Klaus Jansen. Dieser regt sich wortreich und öffentlich darüber auf, wie gefährlich die Welt durch die kürzlich erfolgte Aussetzung der Vorratsdatenspeicherung geworden ist und wie viele Verbrecher nun frei herumlaufen. Wenn man ihn so hört, wundert man sich, wie wir überhaupt alle bis 2008 überlebt haben. Davor nämlich gab es noch keine Vorratsdatenspeicherung in Deutschland. Folgt man der Logik von Herrn Jansen - wobei ich "Logik" hier ausdrücklich in dem Sinn verstanden wissen will, in dem Microsoft das Wort "Sicherheit" verwendet - hätten wir damals alle auf offener Straße erschossen werden müssen. Oder zumindest beim ersten Öffnen des Webbrowsers betrogen, gehackt und mit Kinderpornos überflutet. Ich weiß ja nicht, wie es euch geht, aber ich erinnere mich aus dieser Zeit durchaus an friedliche, von Verbrechen freie Momente. Herr Jansen offenbar nicht. Interessant ist auch das Weltbild des Herrn. Offenbar sind alle Menschen so böse, dass sie ohne Rundum-Überwachung ihrer Telekommunikation Massen von gefährlichen Verbrechen begehen. Einzige Ausnahme: die Ermittler. Die sind samt und sonders integer, haben edle Absichten und wir können ihnen bedenkenlos unsere Daten anvertrauen. Egal, wieviel Macht sie bekommen, sie gehen verantwortlich damit um, während alle anderen noch nicht einmal schaffen, für sich selbst Verantwortung zu übernehmen. Das verstehe, wer will. Am besten werden wir alle Polizisten, dann ist das Problem gelöst. Eine weitere bahnbrechende Erkenntnis von Herrn Jansen: Deutschland hört zuviel auf die Bürgerrechtsbewegung und den CCC. Die Polizei dagegen kommt so gut wie nie zu Wort. Im Netz werden die Menschen "sich selbst überlassen". Kommt euch das bekannt vor? Mir nicht. Jedenfalls nicht aus dem realen Leben. Was auch immer die parallele Realität von Herrn Jansen ist - ich möchte ein Ticket dahin. Kann man das auch bei Lidl kaufen?
Eine weitere interessante Frage: was rauchen eigentlich einige Leute? Beispielsweise die Herrschaften von der niedersächsischen CDU. Diese sprachen sich vehement dagegen aus, dass Polizisten künftig eindeutig identifizierbar sind. Weil... ja, warum eigentlich? CDU-Fraktionschef David McAllister begründet den Verzicht auf Namensschilder damit, dass in Zeiten "gestiegener Gewalt gegen Polizisten" die Beamten ihren "privaten Schutzraum" behalten müssten. Das wirft - neben der bereits in der Einleitung formulierten Frage - weitere Fragestellungen auf. Beispielsweise: Wer macht eigentlich die Statistiken zu Gewalt gegen Polizeibeamte, und was kommt da hinein? Solche Fälle wie der bei der letzten "Freiheit statt Angst"-Demo, bei der eine Beschwerde wegen Polizeigewalt kurzerhand in einer Anzeige wegen Beleidigung und Widerstand gegen die Staatsgewalt endete? Na, bei solch gefährlichen Vorkommnissen würde ich mich als Polizist auch nicht mehr sicher fühlen - wagen es die Leute glatt, sich zu beschweren, wenn man sie verhaut, Frechheit. Was aber eine noch wichtigere Frage wäre: wieso überhaupt Namensschilder? Irgendein kluger Mensch ist doch mal auf die Idee zufälliger Nummern gekommen. Aber dieser Vorschlag ließe sich ja nicht so schön kritisieren - also besser den Mantel des Schweigens darüber breiten. Und überhaupt, so fragt sich die CDU, was soll das alles mit der Kennzeichnerei? Die Bürger vertrauen doch, wie McAllister betont, nach wie vor der Polizei. Na, wenn das so ist, dann ist ja alles gut. Transparenz ist sowieso vollkommen überbewertet. Und Ignoranz ist Stärke.
Erfolgreicher als diverse Politiker waren einige Experten für IT-Sicherheit. Sie hatten den einen oder anderen Erfolg bei der Botnet-Bekämpfung zu verzeichnen. Nützt aber nur bedingt, denn gespammt wird trotzdem und das reichlich. Und wenn mal nicht gespammt und mit Trojanern geworfen wird, machen sich die White Hats ihren Ärger selbst und programmieren wie die Jungs und Mädels von BitDefender kurzerhand Virenscanner-Updates, die mal eben das ganze Betriebssystem vermüllen - eine bei Microsoft Windows zwar verständliche, aber dennoch sehr destruktive Idee. Die bösen Jungs wenigstens freut es - die bringen gleich wieder massenhaft als BitDefender-Patch getarnte Trojaner unter die Leute. So schließt sich der Kreis - sieht also so aus, als wäre "Cyberkrimineller" nach wie vor ein Beruf mit Erfolgsaussichten.
Damit sich die BitDefender-Crew wenigstens nicht allein blamiert, legte Microsoft nach und traf kurzerhand einige Entscheidungen, die die ohnehin nicht gerade überwältigende Beliebtheit des Unternehmens nicht gerade steigern dürften: den neuen IE wird es nicht für Windows XP geben - und auf Windows Phone 7 kein Copy and Paste. Gut, wer braucht schon Internet Explorer... Aber trotzdem. Vor allem letztere Entscheidung ist kaum nachvollziehbar, nachdem mit diesem Konzept schon Apple auf die Nase fiel und nach einer Weile zurückruderte. Ich meine... stellt euch vor, ihr habt eine Firma. Ihr seht, wie ein Konkurrent Mist baut und diesen später korrigiert. Also lasst ihr eure Millionen Dollar teure Entwicklungsabteilung ein Konzept ausarbeiten wie ihr - genau diesen Fehler wiederholt? Angesichts solcher Taktiken sollte Windows sein Wappen von der - ohnehin eher langeweiligen - Flagge zu einem Lemming ändern. Das würde perfekt das Design-Konzept unterstreichen: wir machen anderen jeden Quatsch nach - und abstürzen können wir auch ganz gut. Zudem wäre so ein Pelztierchen vielleicht fast so niedlich wie Tux. Das könnte womöglich ein Verkaufsargument für das neue Mobil-Windows werden - wahrscheinlich hat es das bitter nötig. Was uns wieder zu der Frage bringt: was rauchen die bei Microsoft eigentlich? Wenn die bei Google das selbe Zeug nähmen, würden sie die nächste Version ihres Online-Portals ohne Suchmaschine herausbringen - innovatives neues Feature. Vielleicht sollte man der CDU was geben, wenn die auf irgendeinen wichtigen Teil ihres Konzepts verzichtet, kann das erfahrungsgemäß nur gut sein...
Eine weitere Merkwürdigkeit im März: Nachrichten aus der Gruft - und damit ist nicht der Wahlkampf der SPD gemeint, auch wenn dieser in Nordrhein-Westfalen so langsam Fahrt aufnimmt. Vielmehr handelte es sich wirklich um fleißig Nachrichten versendende Grabsteine. Wer sowas braucht - die Toten sicher nicht. Bei den Lebenden habe ich allerdings auch so meine Zweifel. Wem nutzt es dann? Ganz klar: denjenigen, die mit diesem Quatsch Geld verdienen. Nichts Neues also. Hoffen wir mal, dass nicht die mit moderner Technik völlig überforderte Oma Müller eines Tages einen Herzinfarkt bekommt, weil der Geist ihres seeligen Gatten über das Senioren-Handy mit ihr Kontakt aufnimmt.
Wer nichts zu verbergen hat, hat bekanntlich nichts zu befürchten. Das dachten sich offenbar auch US-amerikanische und isländische Geheimdienste und beschlossen, zu überprüfen, was WikiLeaks so zu verbergen hat. Umgekehrt funktioniert das recht gut - WikiLeaks weiß meist recht genau, was die Mächtigen verbergen. Zu genau, wenn es nach deren Geschmack geht. Genau deshalb will man ja nun ein genaueres Auge auf die Betreiber der Whistleblowing-Seite werfen. Der Ausgang des Ganzen ist ungewiss. Eines jedoch ist klar: solche Aktionen bringen WikiLeaks nur zusätzliche Aufmerksamkeit - und das, wo die Machthaber doch lieber sehen würden, dass über ihre Verfehlungen und Geheimabsprachen Gras wächst. Gras haben sie offenbar auch geraucht, wenn sie so ein Vorgehen für zweckmäßig halten - und zwar ganz schlechtes. Statt an WikiLeaks sollten sich die Damen und Herren erstmal an Wikipedia versuchen. Dort steht bestimmt etwas über den Streisand-Effekt. Zum Thema Friedhof und Geister passt diese Geschichte übrigens auch ganz gut, immerhin kommen die geheim geglaubten Verfehlungen ans Licht, um die Verantwortlichen zu verfolgen. Nur ruft man heutzutage statt der Ghostbusters die CIA. Noch nicht einmal Geisterjäger sind mehr das, was sie mal waren. Politiker dagegen schon - die waren vermutlich schon immer so opportunistisch. Und Geheimdienste sind sowieso ein Anachromismus, da braucht man auf Veränderungen vermutlich gar nicht erst zu hoffen.
In einigen anderen Fällen gibt es aber durchaus noch Hoffnung, denn die stirbt ja bekanntlich zuletzt, auch und gerade, wenn draußen alles grünt und blüht. Wir werden beobachten, inwiefern sich unsere Hoffnungen für die Zukunft verwirklichen - und wo wieder nur ein Fall zum Kopfschütteln herauskommt. Seid versichert, wir werden diesen Fällen für euch nachgehen. Bis es soweit ist, könnt ihr ja einen Urlaub in der Realität von Herrn Jansen machen - aber verlauft euch dort nicht, Einer reicht!
Annika Kremer am 04. Mai 2017
Angefangen bei den notwendigen Grundlagen, welche das Wirkungsprinzip beim Filesharing erklären, über die verschiedenen Möglichkeiten und Tools, bis hin zu den wichtigen rechtlichen Details für Deutschland. Erfahre mehr: