Geschäftsführer Nicolaus Millin vom gleichnamigen Verlagshaus konnte uns im Rahmen unseres Gesprächs einiges darüber berichten, wie sehr das Internet in den vergangenen Jahren den Büchern den Rang abgelaufen hat. Doch unser Gespräch geht weit darüber hinaus. Er sieht für den Vertrieb von Medien im Web ganz konkrete Vertriebswege voraus und stellt auch sehr kritische Fragen. Wer darf welche Informationen überhaupt sehen oder wissen? Wer muss, oder darf wissen, was ich sehe? Dürfen wir wiederum wissen, wer über unseren Informationsstand genauestens Bescheid weiß? Aus dem Studenten für Raumfahrttechnik wurde ein selbstständiger Verleger, ein Linux-Freak und ein wenig auch ein Datenschützer.
Lars Sobiraj: Vielleicht magst du uns zu Beginn erzählen, wie dich dein Lebensweg dazu gebracht hat, zu einem Verlagsleiter zu werden?
Nicolaus Millin: An der TU Berlin (ILR) habe ich von 1983 bis 1991 Luft- und Raumfahrttechnik mit dem Schwerpunkt Infrastrukturlogistik studiert. (eine seiner Arbeiten findet man hier)
Da ich gerade zur Wende mit meinem Studium fertig wurde, habe ich wie der größere Teil meiner damaligen Mitstudenten, eine Tätigkeit außerhalb der Raumfahrt gesucht und gefunden.
Computer (u. a. MS-DOS/Windows) und Programmieren (FORTRAN) haben mich bereits während meines Studiums begleitet.
Spannende Projekte und interessante Menschen haben mich schon immer fasziniert; außerdem habe ich Freude daran, wenn Beschreibungen technischer Zusammenhänge gut aufgenommen werden. So habe ich bereits während meines Studiums bei der Berliner Bezirksgruppe der DGLR "Programmplanung" gemacht, also Referenten für Vorträge eingeladen. Ein echtes Highlight während dieser Zeit war die Veranstaltung "Science Fiction meets Space Technology", für die ich Wolfgang Jeschke gewinnen konnte. Selten war der Saal so voll und die Leute so begeistert.
So war es wohl irgendwie klar, daß ich schließlich irgendwo im Medienbereich in der technischen Ecke landen würde.
So kam es, daß ich 1991 als Lektor beim VDE-Verlag anfing. Hier habe ich von meinem damaligen Chef viel über technische Bücher, Autoren und die deutsche Sprache gelernt; und trotz der vielen Jahre haben wir immer wieder noch Kontakt.
Nach knapp 4 Jahren wechselte ich zum Carl Hanser Verlag in München, und betreute dort das Informatik-Programm.
Dort entdeckte ich auch Linux für mich. Dafür gab es auch einen ganz bestimmten Anlaß: Gute Fachleute erkennt man daran, daß Sie gute Fragen stellen und sofort an der Qualität der Antwort den Antwortenden einschätzen können.
Ich war seit ein paar Wochen bei Hanser, arbeitete mich immer noch in die einzelnen Themenbereiche ein, war zum ersten Mal für den Verlag auf der CeBIT und erwartete doch etwas nervös unsere Kunden und Autoren.
Und irgendwann in diesen Tagen war es dann soweit: Mein Gegenüber, ein bekannter Hochschulwissenschaftler und einer unserer bedeutendsten Fachbuchautoren bei Hanser, erklärte mir nachdem wir uns vorgestellt und er mir etwa vier Fragen zu einem aktuellen Buchprojekt gestellt hatte: "Aha, Sie haben also keine Ahnung von UNIX. Wie wollen Sie denn dann dieses Fachbuchprogramm leiten?". Das stimmte bestimmt nicht ganz, aber für seine Erwartung an mich sah es bestimmt so aus.
Na prima, dachte ich, da habe ich es also gleich mit einem unserer wichtigsten Autoren versemmelt.
Da beschloß ich, UNIX jetzt richtig kennenzulernen und besorgte mir das "Linux April 1995" von der S.u.S.E. Eine intensive Selbsterfahrung begann, und trotz vieler Hindernisse gewann ich immer mehr Freude an dieser neuen Welt. Einige Monate und viele Linuxabenteuer später traf ich wieder mit unserem Autor zusammen, und er war jetzt sehr angetan von meinem neuen Wissen und meinen Beiträgen zu unserer Diskussion. Seitdem haben wir einige Projekte (auch innerhalb von Hanser) gemeinsam auf die Beine gestellt und auch nach vielen Jahren ist der Kontakt noch da.
Bei Hanser war damals wie anderswo die Welt des Fachbuchs noch in Ordnung und ich hatte eine interessante Zeit. Außerdem konnte man ein wenig in andere Bereiche hineinschauen. Spannende Geschichten über Dichter, Denker, Literaten, Eitelkeiten und Seltsamkeiten und was es im Literaturbetrieb sonst noch gibt, erfuhr man einfach beim Mittagessen.
Und man konnte Bleibendes für das Buchprogramm schaffen. "Der Termin" von Tom DeMarco ist sicher heute noch dem einen oder anderen bekannt.
Und Linux ließ mich nicht mehr los. Hanser schon eher, nachdem es einen Generationswechsel gab und knapp die Hälfte meiner Fachbuchkollegen binnen kurzer Zeit nicht mehr da waren. Auch mein Chef, ein wirklich klassischer Verleger, dem ich ebenfalls sehr viel verdanke, wurde im Zuge von Restrukturierungsmaßnahmen durch neues Management ersetzt.
Zu dieser Zeit erzählte mir ein anderer Autor, mit dem ich später noch viele gemeinsame Projekte machen würde, daß die S.u.S.E. plane, einen eigenen Verlag zu gründen, um unabhängig von den Interessen und Terminplanungen anderer Verlage eigene Bücher zu Linux zu produzieren.
Er meinte "Stell Dich doch da mal vor" und mit seinen guten Kontakten zur S.u.S.E. klappte es dann auch. Aus der "Old Economy" kommend, kam ich bei meinem ersten Vorstellungsgespräch als einziger Schlipsträger zwischen T-Shirts, Jeans und Turnschuhen ziemlich fehl am Platz vor.
Schon damals war die S.u.S.E. sehr tolerant, nicht nur, was die Kleidung anbelangt. Sehr bald fühlte ich mich gut aufgehoben, und begann als Verlagsleiter den Verlagsbereich SuSE PRESS aufzubauen, bald kam auch Unterstützung dazu.
Bücher wurden gebraucht, denn das Internet hatte dieses Thema noch nicht für sich entdeckt. Titel erschienen, zuerst nur auf Deutsch, dann auch auf Englisch, Italienisch und Französisch.
Die Firma SuSE wuchs von weniger als 100 binnen kürzester Zeit auf über 600 Mitarbeiter an, aus einer GmbH wurde eine AG; Investoren steckten viel Geld in das Unternehmen, und es wurde eine aufregende Reise ins Zentrum der Dot-Com-Euphorie.
Der Boom verging, und im Jahr 2004 wurde SuSE von Novell aufgekauft. Nach knapp 6 Jahren war, wie für viele andere, kein Platz mehr für mich in dem neuen Unternehmen.
In einer Art Management-Buy-out kaufte ich Novell den Verlagsbereich ab, und versuche seitdem mein Glück als selbstständiger Verleger.
Lars Sobiraj: Was macht für dich den Reiz dieses Jobs aus? Warum wolltest und willst du genau diese Aufgabe erfüllen und keine andere?
Nicolaus Millin: Ein paar Aspekte habe ich eben schon angesprochen; was sich in der letzten Zeit massiv verändert hat, ist die Bedeutung, die das Internet für die Aufnahme von Wissen hat. Informationen, die früher Büchern vorbehalten waren, sind heutzutage im Internet zu finden. Vielleicht nicht immer in derselben Qualität; aber fast immer gut genug. Wikipedia ist ein hervorragender Indikator für diesen Wandel.
Die Zunahme der Seitenabrufe bei Wikipedia, die man z. B. schön bei www.alexa.com sehen kann, spiegeln umgekehrt exakt den sinkenden Absatz von Medien, wie Büchern wider.
Vor einiger Zeit habe ich mir mit meiner Aussage "ein Buch ist immer offline" in der Branche nicht unbedingt Freunde gemacht. Aber inzwischen dürfte es in etwa so eingetroffen sein, wie ich es damals beschrieben habe.
Diese Entwicklung ist unumkehrbar, und ich möchte nicht wie der sprichwörtliche "letze Hufschmied" in der Welt der Produkte von gestern ste(ck|h)enbleiben. Daher habe ich schon vor einiger Zeit begonnen, meine Verlagsaktivitäten umzustellen.
Ein Aspekt davon ist meine VorKon-DVD. Grundlage dieser DVD bildet ein openSUSE, das ich mit VorKon-figurierten (daher der Name) Programmen und viel Dokumentation erweitere. Dabei habe ich besonder Linux-Ein- und Umsteiger im Auge, denen ich ein Basissystem an die Hand geben möchte, das rund läuft, keine Probleme bereitet und von dem aus eigene Expeditionen in die Linux-Welt leichter fallen.
Hinzu kommt ein App-Store, der Linux-VorKon-Shop. Hier findet man Linux-Software von freien Projekten, kommerziellen Anbietern und den Machern des VorKon-Shops im RPM- und DEB-Format für i586- und x64_64-Bit-Systeme, die bei den offiziellen Versionen einiger Linux-Distributionen nicht mitgeliefert wird oder aufwendig eingerichtet werden muß.
Auf die Idee zum VorKon-Shop kam ich während eines Linx-Tages beim Gespräch mit ein paar Entwicklern, die mit ihrer damaligen Situation nicht ganz glücklich waren.
Die bei den Distributoren angestellten Entwickler tragen zu einem sehr großen Teil zur Weiterentwicklung von Linux bei. Im Gegensatz dazu haben es freie Projekte generell nicht leicht, ihre Software weiterzuentwickeln, und nur Projekte, die einem Distributor interessant erscheinen, werden von ihm auch unterstützt. Kommerzielle Softwareanbieter werden von Distributoren naturgemäß nur dann in eine Distribution aufgenommen, wenn sich der Distributor dadurch einen Vorteil verspricht.
So existieren eine Vielzahl von interessanten Projekten und auch kommerzieller Software, die sicher noch mehr Zulauf erhalten würden und deren Entwicklung schneller vorankommen würde, wenn sie bekannter, die Integration in das System einfacher und die Weiterentwicklung nicht hauptsächlich vom Interesse eines Distributors oder Sponsors abhängig wäre.
So entstand das Projekt VorKon-Shop aus der Idee heraus,
- Linux-Nutzern distributionsunabhängig vorkonfigurierte Anwendungen zu Verfügung zu stellen, die es ihnen erspart, langwierige Konfigurationsarbeiten und Anpassungen vornehmen zu müssen, und
- freien Projekten und kommerziellen Produkten eine Möglichkeit zu geben, ohne Umwege direkte (finanzielle) Unterstützung für ihre Entwicklungsarbeit bzw. für Ihr Produkt zu erhalten.
Der Linux-Vorkon-Shop stellt dabei eine Infrastruktur zu Verfügung, mit der zum einen
- Linux-Nutzer Software unkompliziert erwerben und auf ihren Rechner installieren können und zum anderen
- freie Projekte und kommerzielle Anbieter schnell und ohne großen Aufwand in die Lage versetzt werden, Distributions-kompatible Softwarepakete anzubieten.
Im Laufe der mehrjährigen Entwicklung an der DVD und dem VorKon-Shop habe ich eine Menge über das Remastern von Linux-Installations-Medien, Perl-, Shell-Skripting und das Bauen von RPM-Paketen gelernt.
Dabei waren mir neben meiner Ausbildung auch meine früheren Buchprojekte eine große Hilfe, da ich sie im Regelfall selbst mehrmals durcharbeite, um logische und Rechtschreibfehler zu finden. Da bleibt zwangsläufig einiges an Wissen hängen. Und wenn diese Arbeit keinen Spaß machen würde, wäre sie unerträglich :-) .
Natürlich möchte ich gerne weiter im Medienbereich arbeiten, weil es mir einfach gefällt. Aber der Wandel hier ist gravierend und niemand weiß, was die Zukunft bringt. Daher halte ich auch weiterhin mein Ingenieurwissen auf einem einigermaßen aktuellen Stand, um anderweitige berufliche Gelegenheiten nutzen zu können, die sich hier vielleicht bieten. Ich werde mich sicher nicht krampfhaft in einem Bereich festklammern, wenn es wirtschaftlich nicht mehr sinnvoll ist.
Lars Sobiraj: Schon der Volksmund sagt: Hinter jedem selbstständigen bzw.
erfolgreichen Mann steht eine Frau. Welche Funktion hat sie für dich und für das Unternehmen?
Nicolaus Millin: Was soll man in nur ein paar Zeilen über das wunderbarste Wesen sagen, daß man je in seinem Leben kennengelernt hat?
In unternehmerischen Dingen ergänzen wir uns sehr gut, sie ist vor allem im kaufmännischen und vertrieblichen Bereich aktiv und dabei sehr erfolgreich.
Wie sie das mit ihrer zusätzlichen Rolle als Mutter unter einen Hut bringt, kann ein Mann wahrscheinlich gar nicht wirklich nachvollziehen.
Es gibt da eine Werbung von Vorwerk, die es sehr schön auf den Punkt bringt.
Lars Sobiraj: Geschäftsführer eines Verlages für Fachbücher zu sein dürfte sich in der heutigen Zeit nicht einfach gestalten. Die Suchmaschinenanbieter machen ja so ziemlich alle Informationen zugänglich. Oder handelt es sich eher um eine Illusion an Informationen, weil diese ja doch sehr flüchtig sind!?
Nicolaus Millin: Nein, es handelt sich um keine Illusion. Gegenwärtig vollzieht sich ein ziemlicher Umbruch in der Welt der Medien, der schneller ist als man ihn gefühlsmäßig spürt. Der Spiegel hat vor kurzem einen Artikel ("natürlich" im Netz) veröffentlicht, der den Stand der Dinge gut beschreibt.
Bücher, die "nur" allgemein verfügbares Wissen enthalten, haben zu einem guten Teil Ihre Berechtigung verloren. Ein Fachbuch ist meiner Meinung nach nur noch sinnvoll, wenn es einem Leser in seiner speziellen Situation immer noch einen Vorteil bringt. Ein Beispiel ist hier das umfassende Tabellenbuch als Nachschlagewerk, in dem man schneller als im Internet eine Information findet.
Und wie man sieht, ist in den anderen Fällen das Internet oft gut genug, und wird auch immer besser.
Auf der anderen Seite gibt es weiterhin Informationen, deren Beschaffung z. T. aufwendig und mit vielen Kosten verbunden ist. Hier werden sich sicher Bezahlportale, wie z. B. springerlink, weiter etablieren.
Durch das Raster fallen die Fachbuchhandlungen, denen die Kunden in Zukunft immer mehr wegbleiben werden und deren Zahl und das in den Buchhandlungen vorgehaltene Sortiment weiter schrumpfen wird. Eine vergleichbare Situation haben ja die klassischen Spielzeug-Hersteller und -Geschäfte durch die Konkurrenz von Gameboy und Co. in jüngerer Zeit auch erlebt. Märklin läßt grüßen.
Nein, die Informationen aus dem Internet sind nicht immer flüchtig und werden es immer weniger. Immer mehr Möglichkeiten einer längeren Datenhaltung etablieren sich, die auch für die Allgemeinheit zugänglich ist. Google, Amazon oder z. B. das Webarchive entdecken immer neue Möglichkeiten, die Internetinformationen weniger flüchtig zu machen. Und Bezahlportale werden sich auch mehr und mehr Kunden suchen und finden.
Es wird sicher nicht nur bei iTunes, Musicload etc. bleiben, sondern auch andere Medieninhalte dazukommen. Hörbücher und Videos sind ein Anfang, aber virtuelle Klassenräume für berufliche und private Fortbildung werden in der nächsten Zeit auch starke Bedeutung erlangen. Die Hochschulen machen es seit Kurzem ja vor, wie man es macht.
Und gedruckte Bücher werden in dieser neuen Welt immer weniger gebraucht.
In Zukunft werden wohl Fragen anderer Art immer bedeutender werden:
- wer darf was überhaupt sehen oder wissen?
- wer muß/darf wissen, was ich sehe?
- darf ich wissen/sehen, wer das alles weiß?
Lars Sobiraj: Dazu kommt, dass sich dein Verlag an einen feinen aber doch recht kleinen Leserkreis richtet. Warum diese Spezialisierung? Ist es leichter eine Nische zu füllen, als im Strom des Mainstreams mitzuschwimmen und sich dort zu behaupten? Hattest du keine Lust auf Bücher über Windows-Anwendungen? Oder war das eher eine Frage der Überzeugung?
Nicolaus Millin: Früher bei anderen Verlagen bin ich im Strom des Mainstream mitgeschwommen. Ich denke, je intensiver man sich aber über die Jahre hinweg mit verschiedenen Themen auseinandersetzt und dazu noch die Gelegenheit hat, anregende Gespräche direkt mit interessanten Fachleuten zu führen, anstelle sein Wissen hauptsächlich über die Medien zu beziehen, desto mehr findet man seine eigene Position und versucht sie, auch irgendwie auszudrücken.
So ist es mir mit Linux gegangen. Nach mehrjährigen Erfahrungen mit den verschiedensten Betriebssystemen, Mac inklusive, scheint mir das Linux-Konzept und quelloffene Software sehr überzeugend.
Aus diesem Grund bin ich auch entschieden gegen Softwarepatente. In Software werden Algorithmen programmiert. Algorithmen sind Mathematik und haben mit der Beherrschung von Naturkräften nicht das geringste zu tun. Aber wenn man Entscheider hat, deren Horizont nicht weit genung ist, um solche Sachverhalte zu überblicken, braucht man sich über manche Rahmenbedingungen nicht zu wundern.
BTW: Vergleichbares gilt ja auch für unsere famose "Sicherheitspolitik". Ich möchte nicht wissen, was geschehen wäre, wenn das Phantombild des Mannichl-Attentäters einen arabisch aussehenden Menschen gezeigt hätte.
Aber vielleicht beruhen meine Überlegungen ja auch nur darauf, das ich als Ingenieur sowieso eher die Denkstruktur eines Terroristen haben soll, wie Slashdot unlängst berichtete.
Immerhin hat mir diese Denkstruktur über die Jahre erlaubt, erfolgreich im Verlagswesen zu agieren (Pardon, ich bin abgeschweift ;-)).
Große Verlage machen so viel Mainstream, daß man als Mini-Unternehmer nur in einem Markt mit einer Vielzahl von unabhängigen Teilnehmern bestehen kann.
Der Buchhandel hat in den letzten Jahren eine Konzentrationswelle ohnegleichen erlebt. Gab es vor 5 Jahren noch eine gute Zahl von unabhängigen Buchhändlern, die sich selber ihr Sortiment ausgesucht haben, so sind es heutzutage fast ausschließlich eine geringe Zahl von großen Ketten, die über einen Zentraleinkauf das gleiche Programm in ihren Buchhandlungen schalten. Es gibt sicher immer mehr Bücher, aber der Käufer merkt von der potentiell größeren Auswahl nicht viel.
Dementsprechend ist der Zugang für kleine Unternehmen immer schwieriger geworden, und fast zwangsläufig suchen Kunden und Anbieter neue Wege.
Das eBook als ganz neuer Trend wird hier sowieso die bestehenden Strukturen ganz schön durcheinanderwirbeln. Dementsprechend wird es auch bei uns immer mehr eBooks geben.
Und dadurch werden neben Buchhandlugen auch die Druckereien noch ganz starke Probleme bekommen. Da fällt mir wieder ein Märklin-Vergleich ein: mit der Elektrifizierung fand auch die alte Technologie der Dampflokomotive bald ihr Ende. Und eine solche Zeit des Umbruchs erlebt gerade jetzt die Industrie rund um das bedruckte Papier. Und heute wie damals wird die Elektrizität gewinnen...
Mit diesen Randbedingungen werden sich in Zukunft nur noch immer weniger und immer größere Anbieter im Mainstream behaupten können. Ich werde wie andere kleine Anbieter auch verstärkt in meinen Nischen aktiver tätig werden. Inwieweit das erfolgreich ist, werden in Zukunft zufriedene Kunden zeigen, denn nur über deren positive Mundpropaganda kann ein kleines Unternehmen sich behaupten.
Lars Sobiraj: Du hast ja in deiner Position sicher den Finger am Puls der Zeit. Wie wenig oder wie sehr sind die heutigen Jugendlichen bereit, Geld für gedruckte Informationen auszugeben? Verliert das Buch seine Funktion zunehmend? Oder liege ich mit meiner Annahme falsch? Kannst du diesbezüglich eine Tendenz entdecken?
Nicolaus Millin: Meine Antwort zu dieser Frage dürfte aus dem Vorangegangenen offensichtlich sein. Jugendliche wie andere Altersgruppen auch geben für Gedrucktes Geld aus, wenn ein erkennbarer Nutzen ersichtlich ist. Dies ist bei bestimmten Fachthemen der Fall, wenn die Information nicht leicht allgemein zugänglich ist. Oder das gedruckte Werk, wie z. B. ein Tabellenbuch im Gebrauch einfach praktischer als alle Online-Angebote ist.
Je näher man Computer-bezogenen Themen kommt, desto mehr hat das Buch seine Funktion zu einem großen Teil bereits verloren - wie ich finde auch zu recht. Man sollte dem Fortschritt, auch im Hinblick auf internationalen Wettbewerb, keine künstlichen Hindernisse entgegenstellen. Ich finde es eher wichtig, daß gute Information überhaupt bei den Interessierten ankommt.
Verblödet das Volk, geht nach der Bildung die Kultur und schließlich auch die Wirtschaft zugrunde. Aus der Vergangenheit zu lernen, muß wohl von jeder Generation von neuem begriffen werden.
So versuche ich auf meine Art, Menschen für Computertechnologie zu begeistern, indem ich Ihnen mit meinen Produkten einen leichten Zugang und eine einfachere Beherrscharbeit ermöglichliche.
Und inwieweit das in Zukunft erfolgreich sein wird, entscheiden die Kunden, egal ob alt oder jung. Und da gilt es für einen kleinen Anbieter hauptsächlich darum, seine Produkte überhaupt bekanntzumachen.
Lars Sobiraj: Du hast auch Belletristik und Hörbücher mit in dein Programm aufgenommen. Hat sich dieser Schritt gelohnt? Wohin geht die Reise deiner Firma? Hast du in den letzten Monaten irgendwelche Folgen der Finanzkrise zu spüren bekommen? Sind die Leute aktuell noch weniger bereit, Geld für Bücher auszugeben als schon zuvor?
Nicolaus Millin: Aus Interesse und auch aufgrund der stark abnehmenden Bedeutung des Computerbuches haben wir vor geraumer Zeit begonnen, unser Geschäft anzupassen.
Wie mißt man Erfolg? Der Belletristik-Bereich entwickelt sich genauso wie der Hörbuch-Bereich. Aber hier müssen wir uns in Geduld üben. Kurzfristig hat sich der Schritt nicht gelohnt, aber ich denke hier etwas langfristiger. Man benötigt immer einen langen Atem, um sich in einem bestehenden Markt mit neuen Produkten zu etablieren. Auf der anderen Seite ergeben sich aber auch Möglichkeiten, die man mit Fachbüchern nicht hat. Unser "Italien für Anfänger" ist eine Satire, die vom Autor und seiner Frau gelesen auch live ein wirkliches Vergnügen bereitet:
"Das Linux-Befehle-Buch" dagegen wäre mit Sicherheit ein eher ödes Hör-Erlebnis.
Unser anderer Belletristik-Titel, die Satire "Dottor Rossis Durchfall", kommt bei seinem Publikum gut an:
und schreit fast geradezu nach einer Verfilmung. Leider haben wir zu diesem Bereich bisher keinen wirklichen Kontakt, so daß wir die Marktgängigkeit noch nicht prüfen konnten.
Die Reise unserer kleine Firma wird also weiter weg vom reinen Fachbuch und immer mehr zu Geschäftsmodellen rund um digitale Medien und das Internet und auch zu weiteren Ausflügen in die Welt der Belletristik gehen. Gerade arbeiten wir hier z. B. an unserem ersten Kinderbuch.
Es ist noch etwas zu früh, um in unserer Branche etwas von der Wirtschaftskrise zu spüren. Wenn, werden wir die Auswirkungen ab dem Herbst erleben dürfen.
Lars Sobiraj: Spricht man von Linux, dann kommst du ja ursprünglich aus der Suse-Ecke und hast vor einigen Monaten die vorkonfigurierte Linux-Distribution OpenSuse11 veröffentlicht. Bei RadioTux hast du die unterschiedlichen Distributionen mit den verschiedenen Autos verglichen, die die teilweise sehr unterschiedlichen Bedürfnisse ihrer Anwender befriedigen. Was glaubst du, woran es liegt, dass noch immer so wenige Menschen Linux benutzen?
Nicolaus Millin: Zur Antwort fallen mir hier ein paar Gegenfragen ein:
- Vielleicht, weil Linux als UNIX-Abkömmling zu einem guten Teil auch gar nicht primär zur "normalen" Nutzung durch Menschen konzipiert ist, sondern gleich als Server-Betriebssystem?
Linux wird ja deswegen z. B. ganz stark im Bereich Web-Server genutzt.
Vor allem DOS/Windows-Rechner, aber auch der Mac waren ja zunächst als reine Desktop-Systeme, als PC (persönliche Computer), entworfen. Im Bereich Netzwerke benötigte Windows zu Anfang dann ja auch so etwas wie Novell Netware. So ergab sich der größte Teil der Weiterentwicklung im Bereich Desktop-Anwendungen.
Windows/Mac sind kommerzielle Produkte und mit der Goldgräberzeit der ersten PC wurde dann auch relativ viel Geld mit dem Erstellen und dem Verkauf von Software verdient. Konkurrenz kam auf und dementsprechend wurde immer mehr Wert auf gute Verkäuflichkeit gelegt. Die Produkte sahen immer ansprechender aus - aber ob die technische Qualität in gleichem Maß zunahm, scheint mir eher fraglich.
Das Gros der Nutzer ist also hauptsächlich mit Windows groß geworden, kennt meistens nichts anderes und ist die bekannten Macken gewöhnt. Mac bedient eine Nische, kreative Mediengestalter, das aber sehr gut.
Der Linux-Desktop hat sich schon immer evolutionär entwickelt. Es gibt nicht nur eine graphische Benutzeroberfläche, sondern zahlreiche mit wechselvollen Entwicklunggeschichten, manche sterben auch wieder mehr oder weniger aus.
KDE und Gnome sind da nur die bekanntesten.
Die Bedienung dieser Oberflächen und vor allem auch die Programmier-Schnittstellen ist sehr unterschiedlich, so daß es für Entwickler, seien sie kommerziell oder nicht, z. T. großen Aufwand bedeutet, Programme an die Besonderheiten der einzelnen Umgebungen, wie z. B. Drag & Drop, anzupassen. Das Problem des Linux-Desktop ist also eher die Qual der Wahl.
- Gibt es überhaupt einen Desktop, der der für alle paßt?
Unterschiedliche Nutzer verwenden unterschiedliche Anwendungen.
Programmierer haben andere Bedürfnisse an den Desktop als Grafikdesigner. Und ein Office-Arbeitsplatz sieht wieder anders aus.
Das Nutzerverhalten ändert sich zusätzlich: Multimedia und Web nehmen immer weiter an Bedeutung zu, auch z. B. für Office-Anwendungen. Neue Konzepte, wie Multitouch, ermöglichen ein vollkommen neuartiges Arbeiten.
Bei Linux verläuft die Desktop-Entwicklung nur zum Teil zielgerichtet. Es wird wohl weiterhin eine sich in viele Richtungen entwickelnde Experimentierküche bleiben.
Die großen Distributoren entwickeln ihre Favoriten für die Desktopumgebungen so, wie ihre Kunden es wünschen. Und das sind in der Hauptsache Firmenkunden. Deswegen wird auf die Bedürfnisse von Privatanwendern nur sehr bedingt Rücksicht genommen. Und da die Hauptentwicklung der graphischen Bedienoberflächen bei den Distributoren stattfindet, wird sich an der Situation nur langsam etwas ändern.
Seit geraumer Zeit wird immer wieder das Jahr des Linux-Desktops ausgerufen. Aber deswegen wird sich in der nächsten Zeit nichts an den eben geschilderten Zuständen ändern.
Die Tatsache, daß es unter Linux Desktops gibt, mit denen man wirklich arbeiten kann, gelangt eher langsam in das Bewußtsein der Öffentlichkeit. Aber, wenn man erst einmal mit Linux warm geworden ist, sieht man immer mehr Vorteile und wundert sich eher, warum nicht noch mehr umsteigen.
Computer-Viren sind unter Linux kein wirkliches Thema, und - um einen anderen Vorteil zu nennen: Man hat auf seinem Bildschirm mehrere Arbeitsflächen, zwischen denen man umschalten und seine Arbeit besser organisieren kann.
Eine Arbeitsfläche läßt sich anschaulich gut mit einem Fernsehkanal und der Rechner mit seinen jeweiligen Programmen einem Sender und dessen Programmen ;-) vergleichen.
Während man bei anderen Betriebssystemen sozusagen immer einen neuen Fernseher kaufen müßte, um zwischen den Programmen umschalten zu können, hat Linux mit seinen Arbeitsflächenumschaltern so etwas wie eine Fernbedienung. Ich weiß, daß das ein etwas vereinfachendes Bild ist, auch unter Windows gibt es solche Ansätze. Aber nur wer das Arbeiten damit noch nicht kennengelernt hat, wird sagen, daß er so etwas sowieso nicht braucht. Und für einen Windows-Nutzer gibt noch viel mehr zu entdecken!
Es wird in Zukunft immer mehr Anwender von Linux-Desktops geben, aber es wird bei den bestehenden Randbedingungen noch ein bißchen dauern, bis sie eine signifikante Größe darstellen.
Das einzige, was die Entwicklung bei uns spürbar beschleunigen würde, wäre ein ein politischer Wille. Und wie man in vielen, auch europäischen Ländern sehen kann, gibt es hier bereits einiges an Bewegung: bpb.de & linuxpromotion.de (nicht mehr ganz aktuell)
Nur zumindest in Deutschland spürt der normale Anwender nicht immer sehr viel davon.
- Wie ist der Zulauf bei anderen Desktop-Systemen?
Nach der stürmischen Entwicklung in den 90er Jahren ist in Europa, Japan und den USA der Markt inzwischen gesättigt. Es stehen also nicht Neukunden primär im Mittelpunkt, sondern die Hersteller haben seit einiger Zeit bereits mit Verteilungskämpfen begonnen. Eine Ausnahme bildet das neue Marktsegment der Netbooks; hier spielt ja Linux auch eine Rolle - was vielleicht für eine wachsende Popularität auf dem Desktop sorgen kann.
Über neuartige Technologien, wie die Netbooks, kann Linux bei den Desktops punkten. Ansonsten wird sich die Situation für den Linux-Desktop ohne politischen Rückenwind auch in absehbarer Zukunft nicht großartig ändern. Aber das kann ja, wie man in anderen Ländern sieht sich schnell ändern und dann doch zu einem stärkeren Schub in Richtung Linux führen.
Lars Sobiraj: Kann dein aufwendig gestaltetes Bundle zum wirklich bezahlbaren Preis von 20 Euro in der heutigen "alles muss umsonst sein"-Gesellschaft mit den kostenlosen Live-DVDs mithalten? Oder ist man in dieser Community noch eher bereit, solche Dinge wertzuschätzen?
Nicolaus Millin: Für "die" Community kann man das so nicht beantworten. Denn die Community ist sehr heterogen, daher kann und sollte man hier nicht alle über einen Kamm scheren.
So will ich hier ein paar unterschiedliche Facetten dieser sehr bunten Gemeinschaft beleuchten, die zusammen ein einigermaßen stimmiges Bild ergeben sollen.
Der gemeinsame Nenner ist zunächst die Bereitschaft, Linux zu nutzen.
Und dann fängt schon die Unterscheidung an.
So hat Linux hier eine Menge mit Politik, aber auch Wissenschaft gemeinsam. Hier wie dort, gibt es Flügel, Grundüberzeugungen und auch heftige Streitdiskussionen:
- Soll und muß alles frei sein?
- Ist "proprietär" automatisch "böse"?
- Was ist überhaupt "Freiheit" bei Software?
- Haben BWLer und Schlipsträger Verständnis für Linux?
- Warum gibt es so wenig Mädchen/Frauen als Linux-Nutzer/Entwickler?
- ...
Dieses kreative Chaos hat den Vorteil, Dinge zu hinterfragen und die Entwicklung wirklich vorwärts zu bewegen.
Geld darf schon verlangt werden, wenn der Gegenwert reell ist. Und da ist man aufgrund der Goldgräberzeiten früherer Jahre im IT-Bereich nicht verwöhnt. Aber ich denke faire Angebote werden durch die Community dann eigentlich doch als solche erkannt:
- Kommerzielle Linux-Distributionen bieten garantierte Support-Level
- Firmen lassen Ihre Mitarbeiter gegen Geld schulen
- Kommerzieller Linux-Support gilt auch in der Community nicht anrüchig.
- ...
Die Community liebt Alternativen, nicht nur bei der Software, Vorlieben führen hier eigentlich immer zu langen Diskussionen (so ist IMHO der XEmacs der sowieso einzige ernstzunehmende Text-Editor ;-)). Man hat außerdem generell etwas gegen Monopole und das Vendor-Lock-In (z. B. Das proprietäre Dokumentenformat einer Textverarbeitung eines Hersteller ziemlich effektiv die Nutzung alternativer Texterarbeitungen verhindert).
Mein Angebot wird nicht nur von mir als fair empfunden; und so haben wir mit unserer Firma auch unseren Markt, der zugegebenermaßen klein ist. Dies ist aber vor allem unseren PR-Möglichkeiten geschuldet.
Verglichen mit den etablierten Marken gibt es uns noch nicht so lange; und so suchen wir Aufmerksamkeit im Markt über technische Innovationen:
- Beispielsweise bietet unser "Linux-App-Store" VorKon-Shop ein besonderes Feature, das die Installation sehr vereinfacht und woanders so nicht verfügbar ist: Jeder Kunde erhält eine persönliche, individuelle Installationsquelle vom VorKon-Shop, die für andere nicht einsehbar ist.
Mit den Standard-Installationstools, wie z. B. YaST bei openSUSE oder Synaptic bei Ubuntu, gelangt die Software aus dem VorKon-Shop genauso einfach auf den heimischen Rechner, wie man es von den Paketquellen der bekannten Linux-Distributionen her kennt.
Ein zusätzlichen Download über einen Link, der nur für gewisse Zeit gilt, oder ein umständliches Hantieren mit Linuxbefehlen entfällt.
- Ein ganz neues Feature, das es bisher bei keiner der anderen Distributionen gibt, bietet unsere neue VorKon-DVD mit YiPI (Yet another interactive Package Information). Dieses kleine Tool macht die Auswahl und Installation jeder der auf der VorKon-DVD enthaltenen Software-Anwendungen zu einem Kinderspiel.
Alle Software-Anwendungen sind in mehr als 7500 YiPI-Informationsseiten auf der DVD erfaßt, die einfach mit einem normalen Webbrowser genutzt werden können. Jede Informationsseite bietet alles, was an deutschsprachiger Dokumentation zu einem RPM-Paket, einer Anwendung bzw. einem Linuxbefehl der VorKon-DVD im Internet vorhanden ist, sei es ein Handbuch, eine Dokumentation eine Hilfe, ein Wiki, ein Howto o. ä.. Alphabetische und Themen-Verzeichnisse erleichtern zusätzlich die Software-Auswahl.
Ein umständliches Starten von separaten Installationstools entfällt. Nach der Basisinstallation von openSUSE 11.1 kann von den Informationsseiten aus jede Software-Anwendung der VorKon-DVD ganz einfach über einen 1-Click-Install-Button installiert werden.
Features, wie die beiden eben genannten, bieten auch in der "alles-umsonst"-Gesellschaft einen Anreiz, für ein faires Angebot Geld auszugeben.
Die in Deiner Frage angesprochenen kostenlose Live-DVDs wird es weiterhin geben. Nur nützt es der Linux-Community letztlich nichts, wenn die Distributionen zwar frei verfügbar sind, die Weiterentwicklung sich aber verzögert, weil niemand die Entwickler bezahlen will.
Das Bild, daß eine Vielzahl von Entwicklern irgendwo, vielleicht sogar in der Freizeit, an Linux und quelloffener Software arbeitet, hat vielleicht 1996 noch einigermaßen gestimmt.
In den letzten Jahren hat sich Linux zu einer Industrie mit anderen und, wie ich finde, faireren Spielregeln entwickelt. Und eines sollte man beim Thema "Kommerz" nicht vergessen: Nur über eine Kommerzialisierung ist Linux überhaupt erst zu dem geworden, was es heute ist! Denn die kommerziellen Distributoren haben den Weg für den "Durchschnitts-Computernutzer" hin zu Linux überhaupt erst möglich gemacht.
Dabei hat sich natürlich das Verhältnis zwischen Entwicklern und reinen Anwendern ganz stark in Richtung Anwender verändert. Denn diesen wäre es ohne die kommerziellen Distributionen sicher nicht gelungen, ein Linux-System auf ihrem Rechner zum Laufen zu bekommen ;-) .
So gibt es heutzutage zwar immer mehr Linux-Anwender, diese besitzen aber im Durchschnitt weniger Wissen als vor 10 Jahren.
Nun nützt es aber der Weiterentwicklung von Linux nur, wenn sie überhaupt geschieht.
Wer es also wirklich ernst meint mit Linux und nicht selber entwickeln will oder kann, sollte die Distribution seiner Wahl oder bestimmte Unternehmem oder Entwickler mit Geld unterstützen.
Anderenfalls wenden sich Entwickler (notgedrungen) anderen Aufgaben zu, um ihre Brötchen zu verdienen. Es gibt leider eine Vielzahl guter Projekte, um die sich immer wieder längere Zeit niemand wirklich kümmert: Ich denke, was Paul Davis hier sagt, spricht für sich selbst.
Da sind es neben den Distributoren vor allem Hardwareanbieter, die im Allgemeinen die Entwicklungsrichtung vorgeben, indem sie wichtige Entwickler an sich binden. Das ist aus der Sicht eines Hardwareherstellers sicher lukrativer, als die Entwicklung eines eigenen Betriebssystems zu finanzieren.
Anders wird es dann nur, wenn aus politischen Gründen bestimmte Features in Linux gewünscht werden. Dadurch sind Projekte, wie z. B. das durch das BSI gesponsorte Kolab
oder group-e
in der heutigen Form wahrscheinlich erst möglich geworden.
Wer also Linux nicht nur einfach benutzen, sondern auch dazu beitragen will, daß dieses faszinierende Betriebssystem auch in Zukunft noch eine Rolle spielen wird, sollte irgend einen Beitrag dafür übrig haben :-) .
Lars Sobiraj: Wie wird euer Leben in 10 beziehungsweise in 20 Jahren aussehen? Womit werdet ihr euch beschäftigen, wovon werdet ihr dann leben?
Nicolaus Millin: Das Leben wird anders aussehen - das aber anders, als man heute denkt :-) .
Prognosen mit der Fortschreibung eines linearen Trends liegen immer daneben. Vielleicht kennt der eine oder andere, den Fall mit dem Pferdemist in New York oder vergleichbares: Also mache ich es ziemlich kurz: Ich habe keine Ahnung. Und so halte ich es mit Charles F. Kettering:
"I am vitally interested in the future, because I am going to spend the rest of my life there."
Und da gibt es trotz aller Probleme, die wir heute haben, immer noch eine Menge Spannendes zu entdecken.
Vielleicht gibt es bis dahin ein Raumfahrzeug mit einem Antrieb nach dem Konzept von Burkhard Heim (Dröscher/Häuser).
Da tun sich einem Raumfahrtingenieur ganz neue Welten auf. Frag mich dann doch noch einmal. Wenn ich etwas Spannendes weiß, erfährst Du es als Erster ;-) .
Lars Sobiraj: Du, das werde ich gerne tun. Für den Moment würde ich mich gerne erst mal sehr herzlich für deine wahnsinnig ausführlichen Antworten bedanken!! Zumindest für mich war das überaus spannend und lehrreich, die anderen Leser müssen das jeweils für sich selbst entscheiden.
News Redaktion am Freitag, 13.03.2009 10:23 Uhr
News Redaktion am 21.09.2016, 09:04 Uhr
So tickt die Welt eben: Einige Menschen haben so viel Geld, dass sie nicht wissen, was sie damit tun sollen, andere müssen darum bangen, sich etwas zu Essen leisten zu können. Der Sohn eines chinesischen Milliardärs beispielsweise kaufte für seinen Hund gleich sieben iPhones.