Ein Jahr, das unter dem Motto der drei großen K - Krise, Krieg und Koalition - stand, liegt hinter uns. Blühend und schimmernd erhebt sich das neue Jahr vor unseren Augen. Um diese strahlende Zukunft voll und ganz erfassen zu können, wollen wir einen Blick in selbiges werfen: Die strahlende Zukunft beginnt Mitte Januar mit einem weiteren Leck im Atomkraftwerk Biblis. Ist aber nur halb so schlimm, denn der Fallout ergießt sich nur über Worms und löst damit unter anderem das Taubenproblem des Doms, allerdings auch das Problem des verbliebenen Lebens im Rhein.
Gegen Ende Januar wird auf die Frage des Bundesinnenministers de Maizère "Wollt ihr die totale Sicherheit?" heftig applaudiert und der elektronische Ausweis zur ersten Bürgerpflicht. Zu dieser "totalen Sicherheit" des Bürgers, werden mit diesem Ausweis, der aus zwei Metern Entfernung per Scanner ablesbar ist, Bewegungsprofile erstellt, die für die kommenden 30 Jahre gespeichert werden. Otto Normalverbraucher stört sich nicht im geringsten daran, denn er hat ja nichts zu verbergen.
Angestachelt von soviel bundesdeutschem Sicherheitsbedürfnis meldet sich Wolfgang Schäuble im Februar wieder aus der Versenkung und fordert erneut zum großen Lauschangriff auf. Das findet der Bundestag gleich ganz großartig und reduziert das Fernmeldegeheimnis mit Narhallamarsch auf "private Kommunikation ohne politische Relevanz". Von nun an darf jegliche telefonische Kommunikation verdachtsfrei überwacht werden. Es reicht die Annahme einer Putativgefahr.
Zur Prävention von Cyberkriminalität muß der Besitz von Computern ab März 2010 staatlich autorisiert werden, dazu wird die "Mediensteuer" eingeführt, die auf jeden PC entfällt. Die Beantragung der dazu erforderlichen "Mediengenehmigung" für Computer kann zur Freude aller komfortabel online beantragt werden. Dabei wird der Rechnerzugang für das neugegründete "Bundesamt für Verfassungsschutz und staatliche Sicherheitsprozeduren" (BVStaSiPro) freigeschaltet und ohne Wissen der Nutzer zu Sicherheit der gesamte Rechner durchsucht und der Bundestrojaner installiert.
Zeitgleich mit den ersten PC-Registrierungen deckt der Chaos Computer Club (CCC) die Durchsuchung und Trojanerverseuchung auf. Daraufhin wird der CCC nach zweimonatiger Überwachungsphase durch das BVStaSiPro Ende Mai aufgelöst und wegen Verfassungsfeindlichkeit verboten. Ebenfalls für verfassungsfeindlich erklärt wird der Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung und diverse Nicht-Regierungsorganisationen, die sich für informationelle Freiheit und Selbstbestimmung einsetzen. Darauf folgt die massenhafte Verhaftung von "Hackern". Diese sind definiert als Personen, die den IT-Fitnesstest bestanden haben und durch die medizinisch-psychologische Untersuchung für die Teilnahme am Straßenverkehr als ungeeignet und ideologisch bedenklich eingestuft werden.
Dem sogenannten "Führungskader" des CCC wird der Beitritt zur "Union seriöser Administratoren" angeboten. Zu diesem Verein gehören fast ausschließlich BVStaSiPro-Funktionäre und Aufsichtsratsmitglieder von Microsoft. Der angebliche CCC-Führungskader lehnt ab und wird unter teils dubiosen Umständen inhaftiert und isoliert gehalten, nach weiteren Mitgliedern wird fortlaufend gefahndet. Der Prozeß gegen "den Kader" soll 2011 in Stuttgart-Stammheim stattfinden. Zu diesem Zweck wird ein neues Hochsicherheitsgebäude errichtet, das als vollkommen abhör- und anschlagssicher gilt. Manche nennen es gar das neue Crypto City.
Infolge des Verbots von Organisationen, die sich für die Freiheit von Informationen engagieren, wird auch Freie Software verboten mit der Begründung, die willkürliche Weitergabe privat geschriebener oder veränderter Software gefährde die freiheitlich-demokratische Grundordnung, da sie unkontrollierbar zu terroristischen Akten anwendbar sei. Nur noch vollkommerzielle, patentierte Software ist ab Juli 2010 legal. Patentklagen im Einzel und gemischten Doppel werden ab Herbst 2010 olympisch.
Journalisten müssen pro forma monatlich ihre Informantenliste ans BVStaSiPro übermitteln. Da das Redaktionsgeheimnis durch Wegdefinition des Telekommunikationsgeheimnises sowieso nicht mehr besteht, lohnt sich das Verweigern der Listenübermittlung auch nicht. Das BVStaSiPro zieht sich die Daten zum Abgleich mit der Liste ehedem direkt vom Server des Providers. Entsprechend wird die gulli:Redaktion im November unter Subversionsvorwurf geschlossen. Redakteure und Journalisten setzen sich kurz vor Weihnachten mit dem Erlös aus dem Möbelverkauf der Online-Redaktion (Ertrag: 3,50€ für eine alte Funkmaus) nach Panama ab, um wieder in den Genuss einer echten Demokratie zu kommen.
In diesem Sinne wünscht die (noch bestehende) gulli:Newsredaktion ein sicheres neues Jahr!
am Donnerstag, 31.12.2009 15:29 Uhr
News Redaktion am 21.09.2016, 09:04 Uhr
So tickt die Welt eben: Einige Menschen haben so viel Geld, dass sie nicht wissen, was sie damit tun sollen, andere müssen darum bangen, sich etwas zu Essen leisten zu können. Der Sohn eines chinesischen Milliardärs beispielsweise kaufte für seinen Hund gleich sieben iPhones.